Zusammenfassung des Urteils AVI 2010/14: Versicherungsgericht
Die Beschwerdeführerin arbeitete als Servicefachangestellte im Gasthaus A. und wurde nach einer Betriebsübernahme gekündigt. Sie klagte auf ausstehenden Lohn und Lohnabrechnungen, jedoch wurde die Firma insolvent, wodurch die Klage abgeschrieben wurde. Die Beschwerdeführerin forderte Insolvenzentschädigung, die jedoch von der Arbeitslosenkasse nur teilweise bewilligt wurde. Es entstand ein Rechtsstreit um die Berechnung des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung, wobei das Gericht feststellte, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf einen höheren Betrag hatte. Der Entscheid wurde teilweise zugunsten der Beschwerdeführerin geändert, sie erhielt eine Parteientschädigung von CHF 3'000.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AVI 2010/14 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AVI - Arbeitslosenversicherung |
Datum: | 12.10.2010 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG, Art. 324 und 333 OR. Insolvenzentschädigung, Betriebsübernahme, Arbeit auf Abruf. Die Beschwerdeführerin arbeitete bei ihrer früheren Arbeitgeberin in einem unregelmässigen Pensum. Nach Betriebsübernahme hätte die neue Arbeitgeberin das Pensum der Beschwerdeführerin nicht einseitig massiv vermindern dürfen, sondern hätte die Beschwerdeführerin während der Kündigungsfrist im früheren durchschnittlichen Mass einsetzen müssen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 10. Dezember 2010, AVI 2010/14). |
Schlagwörter: | Arbeit; Insolvenzentschädigung; Arbeitsverhältnis; Stunden; Lohnabrechnung; Arbeitgeber; Konkurs; Anspruch; Monats; Stundenlohn; Arbeitsverhältnisses; Bruttolohn; Monatslohn; Berechnung; Arbeitnehmende; L-GAV; Lohnanspruch; Lohnabrechnungen; Höhe; Klage; Forderung; Konkurseröffnung; Lohns; Arbeitsvertrag; Betrieb; Arbeitnehmenden; Basis; Urteil; üglich |
Rechtsnorm: | Art. 17 AVIG;Art. 324 OR ;Art. 324a OR ;Art. 333 OR ;Art. 41 AVIG;Art. 51 AVIG;Art. 55 AVIG; |
Referenz BGE: | 125 III 65; 125 V 494; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 10. Dezember 2010
in Sachen
S. ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Andreas Eisenring, Rosenbergstrasse 87, 9000 St. Gallen,
gegen
Kantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
betreffend Insolvenzentschädigung Sachverhalt:
A.
S. arbeitete vom 15. Juni 2006 bis 30. März 2008 als Servicefachangestellte im Gasthaus A. dieses war per 1. Oktober 2007 von der B. übernommen worden. Mit Schreiben vom 30. Januar 2008 wurde der Versicherten das Arbeitsverhältnis per
29. Februar 2008 gekündigt (act. G 3.8), wobei sich die Kündigungsfrist infolge Krankheit der Versicherten bis Ende März 2008 verlängerte.
Am 1. September 2008 reichte die Versicherte, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Eisenring, beim Kreisgericht St. Gallen Klage gegen die B. ein und beantragte u.a., diese sei zu verpflichten, ihr (der Versicherten) einen Bruttolohn von Fr. 13'824.35, zuzüglich 5% Zins seit 31. März 2008, zu bezahlen; weiter sei sie zu verpflichten, ihr für die Monate Dezember 2007 bis und mit März 2008 korrekte Lohnabrechnungen zukommen zu lassen (act. G 3.7).
Im Oktober 2008 wurde über die B. der Konkurs eröffnet, welcher im April 2009 mangels Aktiven wieder eingestellt wurde. Die Versicherte hatte im Konkurs eine Forderung von Fr. 13'824.35 zuzüglich Zins eingegeben (act. G 1.10). Infolge dieser Konkurseröffnung bzw. nach Löschung der GmbH im Handelsregister im Juli 2009 wurde die arbeitsrechtliche Klage am 16. September 2009 wegen Gegenstandslosigkeit abgeschrieben (act. G 1.11).
Am 24. November 2008 stellte der Vertreter der Versicherten Antrag auf Insolvenzentschädigung, wobei er offene Lohnforderungen von gesamthaft Fr. 13'824.35 geltend machte (act. G 3.1). Am 30. Dezember 2008 bzw. 31. August 2009 richtete die Kantonale Arbeitslosenkasse (nachfolgend: Kasse) der Versicherten Insolvenzentschädigung in Höhe von total Fr. 2'013.50 brutto aus (act. G 3.9 und G 3.3.). Daraufhin verlangte der Vertreter der Versicherten mit Schreiben vom 30. März 2009 eine anfechtbare Verfügung (act. G 3.13).
B.
Mit Verfügung vom 30. September 2009 hielt die Kasse an der Abrechnung vom
31. August 2009 fest. Die Versicherte habe Insolvenzentschädigung gemäss den Lohnabrechnungen der entsprechenden Monate erhalten. Für den Monat Januar 2008 habe keine Insolvenzentschädigung bezahlt werden können, da die Lohnabrechnung für diesen Monat und somit die Anzahl der gearbeiteten Stunden fehlten (act. G 3.15).
Gegen diese Verfügung erhob der Vertreter der Versicherten am 2. November 2009 Einsprache. Die von der B. ausgestellten Lohnabrechnungen seien zu tief. Tatsächlich habe die Versicherte aufgrund der in den Vorjahren gearbeiteten monatlichen durchschnittlichen Arbeitszeiten einen durchschnittlichen Monatslohn von Fr. 3'202.40 brutto zugute gehabt, zuzüglich pro rata Anspruch auf den 13. Monatslohn. Auch bezüglich des Januarlohns sei trotz fehlender Lohnabrechnung auf den früheren monatlichen Verdienst von Fr. 3'202.40 abzustellen (act. G 3.16).
Mit Entscheid vom 4. Januar 2010 wies die Kasse die Einsprache ab. Aus den Akten gehe hervor, dass kein Arbeitsvertrag vorliege und dass die Versicherte vom Mindestverdienst gemäss GAV von Fr. 3'202.40 brutto ausgegangen sei. Dem sei gegenüberzustellen, dass die Versicherte gemäss Lohnabrechnungen der Monate Dezember 2007 sowie Februar und März 2008 im Stundenlohn angestellt gewesen sei. Der Stundenlohn habe Fr. 25.-- brutto inkl. 8.33% Ferienentschädigung und Feiertage/ Anteil 13. Monatslohn betragen. Die Kasse habe die Zahlungen gestützt auf diese Lohnabrechnungen vorgenommen. Für den Monat Januar 2008 liege weder eine Lohnabrechnung noch ein Stundenrapport vor, weshalb für diesen Monat keine Auszahlung erfolgen könne. Was die monierte Höhe der Lohnabrechnungen anbelange, so gehe aus den Akten nicht hervor, dass sich die Versicherte hiergegen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses je gewehrt habe. Sie habe erstmals am 12. Juni 2008 gegen die zu tiefen Löhne interveniert. Die entsprechende Klage, welche am 1. September 2008 eingereicht worden sei, sei aufgrund der Konkurseröffnung sistiert (richtig: abgeschrieben) worden, womit offen bleibe, ob die Forderungen vom Arbeitsgericht bestätigt worden wären nicht. Die Insolvenzentschädigung decke nur Forderungen, welche belegt seien (act. G 3.17).
C.
Mit Eingabe vom 4. Februar 2010 erhebt der Vertreter der Versicherten
Beschwerde und beantragt, der angefochtene Einspracheentscheid sei aufzuheben. Der Beschwerdeführerin sei eine Insolvenzentschädigung, basierend auf der Höhe ihres Lohnanspruchs von Fr. 13'824.35, zuzusprechen. Eventualiter sei die Streitsache an die Beschwerdegegnerin zur korrekten Berechnung des Anspruchs der Beschwerdeführerin zurückzuweisen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, die Beschwerdeführerin sei bereits seit Juni 2006 im Gasthaus A. tätig gewesen. Die B. habe mit dem Betrieb auch die Angestellten und damit die Arbeitsverträge übernommen. Dies bewirke, dass die B. die bisherigen Angestellten im gleichen Rahmen und Umfang wie der frühere Arbeitgeber beschäftigen müsse. Wenn sie das nicht wolle, habe sie die Arbeitsverträge ordentlich zu kündigen. Während der Kündigungsfrist sei sie aber verpflichtet, die Arbeitnehmenden auch tatsächlich und in gleichem Umfang wie früher zu beschäftigen. Gemäss GAV sei zur Berechnung des Bruttolohns von Arbeitnehmenden mit variablen Löhnen vom durchschnittlichen Bruttolohn der vorangehenden Anstellungsdauer auszugehen. Die B. habe der Beschwerdeführerin keine Arbeit mehr zugewiesen und eine neue (billigere) Fachkraft eingestellt. Entsprechend schulde sie der Beschwerdeführerin einen durchschnittlichen Monatslohn auf der Basis der vorangehenden Anstellungsdauer von zwölf Monaten. Diesen Betrag habe die Beschwerdeführerin eingeklagt und anschliessend der Beschwerdegegnerin gegenüber geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin habe bereits im Januar 2008 bei der B. wegen der mangelnden Arbeitszuweisung reklamiert und interveniert. Dass die Beschwerdeführerin die Lohnabrechnung für Januar 2008 nicht vorlegen könne, dürfe ihr nicht angelastet werden (act. G 1).
Mit Beschwerdeantwort vom 24. Februar 2010 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor, die Beschwerdeführerin sei bei der B. im Stundenlohn angestellt gewesen. Ein entsprechender schriftlicher Arbeitsvertrag liege nicht vor. Die arbeitsrechtliche Klage sei aufgrund der Konkurseröffnung als gegenstandslos abgeschrieben worden. Sie (die Beschwerdegegnerin) könne daher betreffend Insolvenzentschädigung keinesfalls vom GAV ausgehen, sondern berechne die Insolvenzentschädigung aufgrund der vorliegenden Unterlagen. Hätte die Beschwerdeführerin früher interveniert, wäre bei Konkurseröffnung ein Urteil vorgelegen, welches über das Arbeitsverhältnis definitiv
Auskunft gegeben hätte. So aber könne sich die Beschwerdeführerin im Nach-hinein nicht einfach auf den GAV berufen und selbst festlegen, sie sei im Monatslohn angestellt gewesen. Was der Arbeitgeber und die Beschwerdeführerin mündlich abgemacht hätten, lasse sich heute nicht mehr eruieren; aufgrund der vorliegenden Lohnabrechnungen und der Intervention fünf Monate nach Beendigung (des Arbeitsverhältnisses) sei jedoch klar davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Stundenlohn angestellt gewesen sei. Die Beschwerdegegnerin habe die Insolvenzentschädigung aufgrund der eingereichten Unterlagen berechnet und ausbezahlt; die für Januar 2008 geltend gemachte Forderung sei nicht belegt (act. G 3).
Mit Replik vom 17. März 2010 hält der Vertreter der Beschwerdeführerin an seinen Anträgen fest. Die Beschwerdeführerin habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, im Monatslohn angestellt gewesen zu sein. Sie habe sich vielmehr bei der Berechnung ihres Anspruchs auf den GAV bezogen, welchem sie schon während des gesamten Arbeitsverhältnisses unterstanden habe (act. G 5).
Die Beschwerdegegnerin verzichtet auf das Einreichen einer Duplik (vgl. act. G 7).
Erwägungen:
1.
Beitragspflichtige Arbeitnehmende von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, haben unter anderem Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen (Art. 51 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung [AVIG; SR 837.0]). Gemäss ständiger Praxis des Bundesgerichtes (bis 31. Dezember 2006 Eidgenössisches Versicherungsgericht [EVG]) erstreckt sich der Schutzzweck der Insolvenzentschädigung auf die tatsächlich geleistete, aber nicht entlöhnte Arbeit (BGE 125 V 494 E. 3b), wobei dem Tatbestand der Lohnansprüche für geleistete Arbeit im Sinne von Art. 51 ff. AVIG diejenigen Fälle gleichgestellt sind, in denen Arbeitnehmende nur wegen Annahmeverzugs des Arbeitgebers im Sinn von Art. 324
Abs. 1 des Obligationenrechts (OR; SR 220) keine Arbeit mehr leisten konnten (siehe etwa Urteil des EVG vom 15. April 2005, C 218/04, E. 3 mit Hinweisen).
Die Arbeitnehmenden müssen im Konkurs- Pfändungsverfahren alles unternehmen, um ihre Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren, bis die Kasse ihnen mitteilt, dass sie an ihrer Stelle in das Verfahren eingetreten ist (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 AVIG). Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichtes müssen versicherte Personen nicht nur im Konkurs- Pfändungsverfahren und nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Lohnansprüche innert nützlicher Frist geltend machen, sondern es obliegt ihnen bereits vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Schadenminderungspflicht, wenn die Arbeitgeberschaft der Lohnzahlungspflicht nicht nur teilweise nachkommt und die Arbeitnehmenden mit einem Verlust rechnen müssen (ARV 2002 Nr. 30, S. 190 f.). Die Schadenminderungspflicht der versicherten Person ist ein für das Arbeitslosenversicherungsrecht zentraler Grundsatz, welchen das Gesetz in verschiedenen Zusammenhängen ausdrücklich konkretisiert (vgl. neben Art. 55 Abs. 1 AVIG auch Art. 17 AVIG und Art. 41 AVIG). An die Schadenminderungspflicht der versicherten Person vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses sind allerdings nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie nach dessen Auflösung. Von der arbeitnehmenden Person wird in der Regel nicht verlangt, dass sie bereits während des bestehenden Arbeitsverhältnisses gegen den Arbeitgeber Betreibung einleitet eine Klage einreicht. Sie hat jedoch ihre Lohnforderung gegenüber dem Arbeitgeber in eindeutiger und unmissverständlicher Weise geltend zu machen (vgl. ARV 2002 Nr. 30
S. 190 f.). Zu weitergehenden Schritten ist die versicherte Person dann gehalten, wenn es sich um erhebliche Lohnausstände handelt und sie konkret mit einem Lohnverlust rechnen muss (Urteil des EVG vom 14. Oktober 2004, C 114/04, E. 3.1; Urteil des EVG vom 4. Juli 2002, C 33/02, E. 1c). Inwieweit Massnahmen zur Realisierung der Lohnansprüche bereits vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sind, beurteilt sich nach den gesamten Umständen im Einzelfall (vgl. Urteil des EVG vom 5. Dezember 2006, C 231/06).
2.
Soweit die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin (sinngemäss) eine Verletzung der Schadenminderungspflicht vorwirft, indem diese zu spät gegen die B.
vorgegangen sei, kann ihr nicht gefolgt werden. So hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Januar 2008 geltend gemacht, für die Berechnung ihres Gehalts sei der Durchschnittslohn der vorangegangenen Monate massgebend (act. G 3.6). In der Folge nahm sie anwaltliche Unterstützung in Anspruch. Ihr Rechtsvertreter gelangte mit Schreiben vom 3. März 2008 an die B. und machte geltend, diese habe der Beschwerdeführerin in gleichem Mass Arbeit zuzuweisen wie vor der Kündigungszeit bzw. wie die Rechtsvorgängerin der B. dies getan habe. Zudem verlangte er die Zustellung der ausstehenden Lohnabrechnungen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wiederholte und ergänzte er die Forderungen mit Schreiben vom
12. und 19. Juni 2008 (act. G 3.5). Nachdem auf diesem Weg keine Einigung erzielt werden konnte, reichte er für die Beschwerdeführerin am 1. September 2008 Klage gegen die B. ein (act. G 3.7). Damit ist die Beschwerdeführerin ihrer Schadenminderungspflicht in genügendem Mass nachgekommen. Dies umso mehr, als bei den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Forderungen nicht eine allfällige Zahlungsunfähigkeit der B. im Vordergrund stand, sondern der Umfang des Lohnanspruchs für die Monate Dezember 2007 bis und mit März 2008 an sich umstritten war. Dass der arbeitsrechtliche Prozess infolge der Konkurseröffnung über die B. nicht materiell entschieden werden konnte, darf der Beschwerdeführerin vorliegend nicht zum Nachteil gereichen, zumal - entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin - nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass bei früherer Klageeinleitung noch vor Konkurseröffnung ein (rechtskräftiges) Urteil vorgelegen hätte. Entsprechend sind die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Lohn- bzw. Insolvenzentschädigungsansprüche nachfolgend zu prüfen.
3.
Die B. hat das Restaurant A. am 1. Oktober 2007 als neue Pächterin übernommen (vgl. act. G 3.5). Es liegt damit eine Betriebsübernahme im Sinn von Art. 333 OR vor. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung geht das Arbeitsverhältnis in so einem Fall mit allen Rechten und Pflichten mit dem Tag der Betriebsnachfolge auf den Erwerber über, sofern der bzw. die Arbeitnehmende den Übergang nicht ablehnt. Ist auf das übertragene Arbeitsverhältnis ein Gesamtarbeitsvertrag anwendbar, muss der Erwerber diesen während eines Jahres einhalten, sofern er nicht vorher abläuft infolge Kündigung endet (Art. 333 Abs. 1bis OR). Durch den Übergang des
Arbeitsverhältnisses übernehmen die neuen Arbeitgebenden den Arbeitsvertrag unverändert in seiner Gültigkeit am Tag der Betriebsübernahme. Es handelt sich mit anderen Worten um denselben Vertrag mit den gleichen Rechten und Pflichten, der mit den neuen Arbeitgebenden weiterläuft (Christiane Brunner/Jean-Michel Bühler/Jean- Bernard Waeber/Christian Bruchez, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 3. Auflage, Art. 333 N 6).
Es geht aus den Akten hervor und ist im Übrigen unbestritten, dass die Beschwerdeführerin weder mit ihrer vormaligen Arbeitgeberin noch mit der B. einen schriftlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte. Sie war im Stundenlohn beschäftigt. Während sich die Beschwerdegegnerin auf den Standpunkt stellt, unter diesen Umständen decke die Insolvenzentschädigung nur Ausfälle für nachgewiesenermassen geleistete Arbeitsstunden, macht die Beschwerdeführerin geltend, ihr Anspruch auf Insolvenzentschädigung sei auf der Basis der durchschnittlichen Monatseinkommen, welche sie bei der ursprünglichen Arbeitgeberin erzielt habe, zu bemessen. Für ihren Standpunkt verweist die Beschwerdeführerin auf Art. 333 Abs. 1 OR und Art. 8 Ziff. 2 des Landes-Gesamtarbeitsvertrags des Gastgewerbes (L-GAV; Stand 1. Januar 2008, abrufbar unter: http://gav.arbeitsrechtler.ch/Gastgewerbe_L-GAV_1998_A2008.pdf). Gemäss Art. 8 Ziff. 2 L-GAV ist bei variablen Löhnen (insbesondere Umsatz- und Stundenlöhnen) zur Berechnung des Bruttolohns "in den nachfolgenden Artikeln" vom durchschnittlichen Bruttolohn der vorangehenden Anstellungsdauer (höchstens aber von zwölf Monaten) auszugehen; hierbei wird auf die Art. 14 bis 20, 22, 23, 25 und 28
L-GAV verwiesen.
Aus Art. 8 Ziff. 2 GAV vermag die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Diese Bestimmung regelt die Berechnung des Bruttolohns lediglich für namentlich bestimmte Artikel; weder die Betriebsübernahme noch die Insolvenzentschädigung werden darin genannt. Es geht in dieser Bestimmung denn auch nicht darum, einen Lohnanspruch zu berechnen. Vielmehr dient der Bruttolohn in den aufgezählten Artikeln der Bemessung anderer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (Ferien, Bildungsurlaub usw.); für diese Fälle regelt Art. 8 Ziff. 2 L-GAV die Bemessung des als Berechnungsgrundlage dienenden Bruttolohns. Ein laufender Lohnanspruch kann aufgrund dieser Bestimmung jedoch nicht ermittelt werden.
Zwar kann sich die Beschwerdeführerin vorliegend nicht auf den L-GAV berufen, doch hat das Bundesgericht in BGE 125 III 65 (= Pra 1999 Nr. 111) entschieden, die zwingenden Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts gälten auch für den Vertrag auf Abruf. Eine plötzliche massive Verminderung des monatlichen Arbeitspensums könne nicht ohne Einhalten der Kündigungsfrist mit dem damit verbundenen Schutz für die Arbeitnehmenden erfolgen. Nach Art. 324 Abs. 1 OR hätten die Arbeitgebenden und nicht die Arbeitnehmenden das Betriebsrisiko zu tragen. Lehnten daher die Arbeitgeber die Leistung der Arbeitnehmer, die sie gehörig anböten, aus wirtschaftlichen Gründen ab, gerieten sie in Annahmeverzug und blieben zur Lohnzahlung verpflichtet.
Nach dem Gesagten hatte die Beschwerdeführerin damit in den vier in Frage stehenden Monaten grundsätzlich Anspruch darauf, im selben Umfang wie in den Vormonaten beschäftigt und entlöhnt zu werden. Es rechtfertigt sich, zur Ermittlung dieses Umfangs auf das durchschnittliche Einkommen der Beschwerdeführerin von Januar bis November 2007 abzustellen, da dieser Beurteilungszeitraum den schwankenden Einkommen Rechnung trägt und damit als aussagekräftige Basis erscheint; ab Dezember 2007 war ein starker Einbruch in der Beschäftigungsdauer zu verzeichnen. Von Januar bis November 2007 betrug die monatliche Arbeitszeit der Beschwerdeführerin durchschnittlich 128.1 Stunden (vgl. act. G 3.4). Der Stundenlohn betrug dabei brutto Fr. 25.--. Diesbezüglich gilt es jedoch zu beachten, dass sich die Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum im zweiten Anstellungsjahr befand und sie damit gemäss Art. 12 Ziff. 1 L-GAV Anspruch auf einen 13. Monatslohn im Umfang von 75% eines Bruttolohns hatte. Gemäss Kommentar zum L-GAV zu Art. 12 (http:// gav.arbeitsrechtler.ch/Gastgewerbe_L-GAV-Kommentar_1998_A2008.pdf) entspricht dies (bezogen auf den Stundenlohn) einem Prozentsatz von 6.24%. Im Stundenlohn von Fr. 25.-- ist jedoch lediglich ein Anteil 13. Monatslohn von 4.2% bzw. Fr. 1.05 enthalten. Berücksichtigt man für die in Frage stehenden Monate Dezember 2007 bis und mit März 2008 einen Anteil 13. Monatslohn in Höhe von 6.24% erhöht sich der Stundenlohn auf brutto Fr. 25.44 ([Fr. 25.-- - Fr. 1.05] x 1,0624). Folglich hatte die Beschwerdeführerin für die Monate Dezember 2007 bis und mit März 2008 grundsätzlich Anspruch auf einen Lohn in Höhe von (gerundet) Fr. 3'258.85 (128,1 h x Fr. 25.44). Aus den Akten geht jedoch hervor, dass die Beschwerdeführerin im Dezember 2007 eine Zahlung in Höhe von Fr. 508.-- (vgl. act. G 1.7 und G 3.1) erhalten hat, welche vom Lohnanspruch abzuziehen ist. Zudem hat sie in jenem Monat fünf
Ferientage bezogen, was einer Woche und damit rund ¼ Monat bzw. einem Lohn von (gerundet) Fr. 814.70 (Fr. 3'258.85 : 4) entspricht (vgl. act. G 3.1), welcher ebenfalls in Abzug zu bringen ist, da die Ferienentschädigung im Stundenlohn von Fr. 25.44 bereits enthalten ist. Für den Dezember 2007 resultiert damit ein Lohnanspruch von Fr. 1'936.15 (Fr. 3'258.85 - Fr. 508.-- - Fr. 814.70). Für Januar 2008 war der
Durchschnittslohn von Fr. 3'258.85 geschuldet. Dies gilt auch für Februar 2008; zwar war die Beschwerdeführerin in diesem Monat vom 22. bis 28. krank, doch bestand hierfür von Gesetzes wegen eine Lohnfortzahlungspflicht (Art. 324a Abs. 1 und 2 OR). Was den Lohnanspruch für März 2008 anbelangt, ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin am 7., 8. und 31. dieses Monats keine Einsätze für die B. leistete, obwohl sie hierzu aufgeboten worden war (vgl. Schreiben UMC Buchhaltungen vom 4. Juli 2008, act. G 1.6). Diese Einsätze betrafen gemäss Einsatzplan vom 4. März 2008 (act. G 3.5) eine Arbeitszeit von total 15.5 Stunden, was einem Einkommen von (gerundet) Fr. 394.30 (15,5 x Fr. 25.44) entsprach. Für März 2008 ergibt sich folglich ein Lohnanspruch von Fr. 2'864.55 (Fr. 3'258.85 - Fr. 394.30). Insgesamt beläuft sich der Lohnanspruch der Beschwerdeführerin für die Monate Dezember 2007 bis und mit März 2008 damit auf Fr. 11'318.40 (Fr. 1'936.15 + Fr. 3'258.85 + Fr. 3'258.85 + Fr.
2'864.55). Entsprechend hat sie auf dieser Basis Anspruch auf Insolvenzentschädigung.
4.
Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Der angefochtene Einspracheentscheid ist aufzuheben, und die Sache ist zur Berechnung der Insolvenzentschädigung auf der Basis von Lohnansprüchen in Höhe von Fr. 11'318.40 an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Hingegen hat die obsiegende Beschwerdeführerin bei diesem Verfahrensausgang Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Art. 61 lit. g ATSG). In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach Art. 22
Abs. 1 lit. b HonO (sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-- bis Fr. 12'000.--. Vorliegend erscheint eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- (inkl. Mehrwertsteuer und Barauslagen) als angemessen.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Einspracheentscheid vom 4. Januar 2010 aufgehoben, und die Sache wird zur Berechnung der Insolvenzentschädigung auf der Basis von Lohnansprüchen in Höhe von Fr. 11'318.40 an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von
Fr. 3'000.-- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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